Optimierungskriterium des Wiener–Kolmogorow–Filters


Als ein weiteres Beispiel zur Optimalfilterung betrachten wir nun die Aufgabenstellung, die Form eines Nutzsignals  $s(t)$  aus dem durch additives Rauschen  $n(t)$  gestörten Empfangssignals  $r(t)$  im Sinne des  mittleren quadratischen Fehlers  (MQF) möglichst gut zu rekonstruieren:

$${\rm{MQF}} = \mathop {\lim }\limits_{T_{\rm M} \to \infty } \frac{1}{{T_{\rm M} }}\int_{ - T_{\rm M} /2}^{+T_{\rm M} /2} {\left| {d(t) - s(t)} \right|^2 \, {\rm{d}}t} \mathop = \limits^! {\rm{Minimum}}.$$

Das Filter ist nach seinen Erfindern  Norbert Wiener  und  Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow  benannt.  Den entsprechenden Frequenzgang bezeichnen wir mit  $H_{\rm WF}(f).$

Zur Herleitung des Wiener-Filters

Für diese Optimierungsaufgabe gelten folgende Voraussetzungen:

  • Das zu rekonstruierende Signal  $s(t)$  ist das Ergebnis eines Zufallsprozesses  $\{s(t)\}$, von dem nur die statistischen Eigenschaften in Form des Leistungsdichtespektrums  ${\it Φ}_s(f)$  bekannt sind.
  • Das Störsignal  $n(t)$  ist durch das LDS  ${\it Φ}_n(f)$  gegeben.  Korrelationen zwischen dem Nutz– und dem Störsignal werden durch die  Kreuzleistungsdichtespektren  ${\it Φ}_{sn}(f) = \hspace{0.1cm} –{ {\it Φ}_{ns} }^∗(f)$  berücksichtigt.
  • Das Ausgangssignal des gesuchten Filters wird mit  $d(t)$  bezeichnet, das sich entsprechend des MQF möglichst wenig von  $s(t)$  unterscheiden soll.  $T_{\rm M}$  bezeichnet wiederum die Messdauer.


Das Signal  $s(t)$  sei mittelwertfrei  $(m_s = 0)$  und leistungsbegrenzt.  Das bedeutet:   Die Signalenergie  $E_s$  ist aufgrund der unendlichen Ausdehnung des Signals  $s(t)$  unendlich und die Signalleistung besitzt einen endlichen Wert:

$$P_s = \mathop {\lim }\limits_{T_{\rm M} \to \infty } \frac{1}{{T_{\rm M} }}\int_{ - T_{\rm M} /2}^{+T_{\rm M} /2} |{s(t)|^2 \, {\rm{d}}t > 0.}$$
  • Ein grundsätzlicher Unterschied zur Aufgabenstellung beim Matched–Filter ist das stochastische und leistungsbegrenzte Nutzsignal  $s(t)$.
  • Erinnern wir uns:   Beim Matched–Filter war das zu rekonstruierende Signal  $g(t)$  deterministisch, zeitlich begrenzt und damit auch energiebegrenzt.

Ergebnis der Filteroptimierung


$\text{Hier ohne Beweis:}$  Die  Übertragungsfunktion des optimalen Filters  kann über die so genannte  Wiener-Hopfsche Integralgleichung  ermittelt werden, und lautet:

$$H_{\rm WF} (f) = \frac{{ {\it \Phi }_s (f) + {\it \Phi }_{ns} (f)} }{ { {\it \Phi }_s (f) + {\it \Phi }_{sn} (f) + {\it \Phi }_{ns} (f) + {\it \Phi }_n (f)}}.$$
  • A. Kolmogorow  und  N. Wiener  haben dieses Optimierungsproblem nahezu zur gleichen Zeit unabhängig voneinander gelöst.
  • Der Index „WF” steht für Wiener-Filter und lässt leider die Verdienste von Kolmogorow nicht erkennen.
  • Die Herleitung dieses Ergebnisses ist nicht trivial und zum Beispiel in  [Hän97][1]  zu finden.


Auf die mathematische Herleitung der Gleichung wird verzichtet.  Vielmehr soll dieses Filter im Folgenden an einigen Sonderfällen verdeutlicht und interpretiert werden.

  • Sind Signal und Störung unkorreliert   ⇒   ${\it Φ}_{sn}(f) = {\it Φ}_{ns}(f) = 0$, so vereinfacht sich die obige Gleichung wie folgt:
$$H_{\rm WF} (f) = \frac{{ {\it \Phi }_s (f) }}{{ {\it \Phi }_s (f) + {\it \Phi }_n (f) }} = \frac{1}{{1 + {\it \Phi }_n (f) / {\it \Phi }_s (f) }}.$$
  • Das Filter wirkt dann wie ein frequenzabhängiger Teiler, wobei das Teilerverhältnis durch die Leistungsdichtespektren von Nutzsignal und Störsignal bestimmt wird.
  • Der „Durchlassbereich” liegt vorwiegend bei den Frequenzen, bei denen das Nutzsignal sehr viel größere Anteile besitzt als die Störung:
$${\it Φ}_s(f) \gg {\it Φ}_n(f).$$
  • Der  mittlere quadratische Fehler  (MQF) zwischen dem Filterausgangssignal  $d(t)$  und dem zu approximierenden Eingangssignal  $s(t)$  ist
$${\rm MQF} = \int\limits_{ - \infty }^{ + \infty } {\frac{{ {\it \Phi }_s (f) \cdot {\it \Phi }_n (f)}}{{ {\it \Phi }_s(f) + {\it \Phi }_n (f)}}\,{\rm{d}}f = \int\limits_{ - \infty }^{ + \infty } {H_{\rm WF} (f) \cdot {\it \Phi }_n (f)}\, {\rm{d}}f.}$$


Interpretation des Wiener-Filters


Nun wird das Wiener–Kolmogorow–Filter anhand zweier Beispiele verdeutlicht.

$\text{Beispiel 1:}$  Zur Verdeutlichung des Wiener–Filters betrachten wir als Grenzfall ein Sendesignal  $s(t)$  mit dem Leistungsdichtespektrum  ${\it Φ}_s(f) = P_{\rm S} · δ(f ± f_{\rm S}).$

  • Damit ist bekannt, dass  $s(t)$  eine harmonische Schwingung mit der Frequenz  $f_{\rm S}$  ist.
  • Unbekannt sind dagegen Amplitude und Phase der aktuellen Musterfunktion  $s(t)$.


Bei weißem Rauschen   ⇒   ${\it Φ}_n(f) = N_0/2$   lautet somit der Frequenzgang des Wiener-Filters:

$$H_{\rm WF} (f) = \frac{1}{ {1 +({N_0 /2})/{\big[ P_{\rm S} \cdot\delta ( {f \pm f_{\rm S} } \big ]} })}.$$
  • Bei allen Frequenzen mit Ausnahme von  $f = ±f_{\rm S}$  ergibt sich  $H_{\rm WF}(f) = 0$, da hier der Nenner unendlich groß wird.
  • Berücksichtigt man weiter, dass  $δ(f = ±f_{\rm S})$  an der Stelle  $f = ±f_{\rm S}$  unendlich groß ist, so erhält man weiter  $H_{\rm MF}(f = ±f_{\rm S} ) = 1. $
  • Das optimale Filter ist somit ein Bandpass um  $f_{\rm S}$  mit unendlich kleiner Bandbreite.
  • Der mittlere quadratische Fehler zwischen dem Sendesignal  $s(t)$  und dem Filterausgangssignal  $d(t)$  beträgt
$${\rm{MQF} } = \int_{ - \infty }^{ + \infty } {H_{\rm WF} (f) \cdot {\it \Phi_n} (f) \,{\rm{d} }f = \mathop {\lim }\limits_{\varepsilon \hspace{0.03cm} {\rm > \hspace{0.03cm}0,}\;\;\varepsilon \hspace{0.03cm} \to \hspace{0.03cm}\rm 0 } }\hspace{0.1cm} \int_{f_{\rm S} - \varepsilon }^{f_{\rm S} + \varepsilon }\hspace{-0.3cm} {N_0 }\,\,{\rm{d} }f = 0.$$
  • Dieses unendlich schmale Bandpass–Filter würde bei den getroffenen Voraussetzungen die vollständige Regenerierung der Harmonischen hinsichtlich Amplitude und Phase erlauben.  Unabhängig von der Größe der Störung  $(N_0)$  würde somit  $d(t) = s(t)$  gelten.
  • Allerdings ist ein unendlich schmales Filter nicht realisierbar.  Bei endlicher Bandbreite  $Δf$  ist der mittlere quadratische Fehler ${\rm MQF} = N_0 · Δf$.


Dieses Beispiel hat einen Sonderfall behandelt, bei dem das bestmögliche Ergebnis  $\rm MQF = 0$  zumindest theoretisch möglich wäre.  Das folgende Beispiel geht von realistischeren Annahmen aus und liefert das Ergebnis  $\rm MQF > 0$.

$\text{Beispiel 2:}$  Nun betrachten wir ein  stochastisches rechteckförmiges Binärsignal  $s(t)$, das durch weißes Rauschen  $n(t)$  additiv überlagert ist. 

rechts

Die Grafik enthält folgende Diagramme:

  • Oben ist grau das Summensignal  $r(t) = s(t) + n(t)$  für  ${\it Φ}_0/N_0 = 5$  dargestellt, wobei  ${\it Φ}_0$  die Energie eines Einzelimpulses bezeichnet und  $N_0$  die Leistungsdichte des weißen Rauschens angibt. Das Nutzsignal  $s(t)$  ist blau gezeichnet.
  • In Bildmitte sind die Leistungsdichtespektren  ${\it Φ}_s(f)$  und  ${\it Φ}_n(f)$  in blauer bzw. roter Farbe skizziert und formelmäßig angegeben.  Grün gezeichnet ist der resultierende Frequenzgang  $H_{\rm WF}(f)$.
  • Das untere Bild zeigt als grauen Kurvenzug das Ausgangssignal  $d(t)$  des Wiener-Filters im Vergleich zum blau gezeichneten Sendesignal  $s(t)$.  Im Idealfall sollte  $d(t) = s(t)$  gelten.


Die untere Darstellung zeigt:

(1)   Der mittlere quadratische Fehler (MQF) ergibt sich aus dem Vergleich der Signale  $d(t)$  und  $s(t)$.

(2)   Die numerische Auswertung ergab für  $\rm MQF$  etwa  $11\%$  der Nutzleistung  $P_{\rm S} $.

(3)   Im Signal  $d(t)$  fehlen vorwiegend die höherfrequenten Signalanteile  (also die Sprünge).

(4)   Diese Anteile werden zugunsten einer besseren Störunterdrückung dieser Frequenzen ausgefiltert.


Mit keinem anderen Filter ergibt sich bei diesen Voraussetzungen ein kleinerer (mittlerer quadratischer) Fehler als mit dem Wiener-Filter.

Dessen Frequenzgang (grüner Kurvenverlauf) lautet hier:

$$H_{\rm WF} (f) = \frac{1}{ {1 + ({N_0 /2})/( {\it \Phi}_0 \cdot {\rm si^2} ( \pi f T )})} \hspace{0.15cm} .$$

Aus dem mittleren Diagramm erkennt man weiter:

  • Der Gleichsignalübertragungsfaktor ergibt sich hier zu  $H_{\rm WF}(f = 0) = {\it Φ}_0/({\it Φ}_0 + N_0/2) = 10/11.$
  • Bei Vielfachen der Symbolfolgefrequenz  $1/T$, bei denen das stochastische Nutzsignal  $s(t)$  keine Spektralanteile besitzt, ist  $H_{\rm WF}(f) = 0$.
  • Je mehr Nutzsignalanteile bei einer bestimmten Frequenz vorhanden sind, desto durchlässiger ist bei dieser Frequenz auch das Wiener-Filter.

Aufgabe zum Kapitel


Aufgabe 5.9: Minimierung des MQF


Quellenverzeichnis

  1. Hänsler, E.: Statistische Signale: Grundlagen und Anwendungen. 2. Auflage. Berlin – Heidelberg: Springer, 1997.