Contents
- 1 Freie Distanz vs. Minimale Distanz
- 2 Pfadgewichtsfunktion
- 3 Erweiterte Pfadgewichtsfunktion
- 4 Pfadgewichtsfunktion aus Zustandsübergangsdiagramm
- 5 Regeln zur Manipulation des Zustandsübergangsdiagramms
- 6 Blockfehlerwahrscheinlichkeit vs. Burstfehlerwahrscheinlichkeit
- 7 Burstfehlerwahrscheinlichkeit und Bhattacharyya–Schranke
- 8 Bitfehlerwahrscheinlichkeit und Viterbi–Schranke
- 9 Aufgaben zum Kapitel
- 10 Quellenverzeichnis
Freie Distanz vs. Minimale Distanz
Eine wichtige Kenngröße hinsichtlich der Fehlerwahrscheinlichkeit linearer Blockcodes ist die minimale Distanz zwischen zwei Codeworten:
- \[d_{\rm min}(\mathcal{C}) = \min_{\substack{\underline{x},\hspace{0.05cm}\underline{x}' \hspace{0.05cm}\in \hspace{0.05cm} \mathcal{C} \\ {\underline{x}} \hspace{0.05cm}\ne \hspace{0.05cm} \underline{x}'}}\hspace{0.1cm}d_{\rm H}(\underline{x}, \hspace{0.05cm}\underline{x}') = \min_{\substack{\underline{x} \hspace{0.05cm}\in \hspace{0.05cm} \mathcal{C} \\ {\underline{x}} \hspace{0.05cm}\ne \hspace{0.05cm} \underline{0}}}\hspace{0.1cm}w_{\rm H}(\underline{x}) \hspace{0.05cm}.\]
Der zweite Gleichungsteil ergibt sich aus der Tatsache, dass jeder lineare Code auch das Nullwort $(\underline{0})$ beinhaltet. Zweckmäßigerweise setzt man deshalb $\underline{x}' = \underline{0}$, so dass die Hamming–Distanz $d_{\rm H}(\underline{x}, \ \underline{0})$ das gleiche Ergebnis liefert wie das Hamming–Gewicht $w_{\rm H}(\underline{x})$.
$\text{Beispiel 1:}$ Die Tabelle zeigt die 16 Codeworte des (7, 4, 3)–Hamming–Codes.
- Alle Codeworte außer dem Nullwort $(\underline{0})$ beinhalten mindestens drei Einsen ⇒ $d_{\rm min} = 3$.
- Es gibt sieben Codeworte mit drei Einsen, sieben mit vier Einsen und je eines ohne Einsen bzw. mit sieben Einsen.
Die freie Distanz $d_{\rm F}$ eines Faltungscodes (Convolution Code ⇒ ${\rm CC}$) unterscheidet sich formelmäßig nicht von der minimalen Distanz eines linearen Blockcodes:
- \[d_{\rm F}(\mathcal{CC}) = \min_{\substack{\underline{x},\hspace{0.05cm}\underline{x}' \hspace{0.05cm}\in \hspace{0.05cm} \mathcal{CC} \\ {\underline{x}} \hspace{0.05cm}\ne \hspace{0.05cm} \underline{x}'}}\hspace{0.1cm}d_{\rm H}(\underline{x}, \hspace{0.05cm}\underline{x}') = \min_{\substack{\underline{x} \hspace{0.05cm}\in \hspace{0.05cm} \mathcal{CC} \\ {\underline{x}} \hspace{0.05cm}\ne \hspace{0.05cm} \underline{0}}}\hspace{0.1cm}w_{\rm H}(\underline{x}) \hspace{0.05cm}.\]
In der Literatur wird anstelle von $d_{\rm F}$ teilweise auch $d_{∞}$ verwendet.
- Wesentlicher Unterschied zur minimalen Distanz ist, dass bei Faltungscodes nicht Informations– und Codeworte zu betrachten sind, sondern Sequenzen mit der Eigenschaft Kanalcodierung/Grundlagen der Faltungscodierung.
- Jede Codesequenz $\underline{x}$ beschreibt einen Pfad durch das Trellis. Die freie Distanz ist dabei das kleinstmögliche Hamming–Gewicht eines solchen Pfades (mit Ausnahme des Nullpfades).
Die Grafik zeigt drei der unendlich vielen Pfade mit dem minimalen Hamming–Gewicht $w_{\rm H, \ min}(\underline{x}) = d_{\rm F} = 5$.
Pfadgewichtsfunktion
Für jeden linearen Blockcode lässt sich wegen der endlichen Anzahl an Codeworten $\underline{x}$ in einfacher Weise eine Gewichtsfunktion angeben. Für das Beispiel 1 auf der letzten Seite lautet diese:
- \[W(X) = 1 + 7 \cdot X^{3} + 7 \cdot X^{4} + X^{7}\hspace{0.05cm}.\]
Bei einem (nicht terminierten) Faltungscode kann keine solche Gewichtsfunktion angegegeben werden, da es unendlich viele, unendlich lange Codesequenzen $\underline{x}$ gibt, und damit auch unendlich viele Trellispfade. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, gehen wir nun von folgenden Voraussetzungen aus:
- Als Bezugsgröße für das Trellisdiagramm wählen wir stets den Pfad der Codesequenz $\underline{x} = \underline{0}$ und nennen diesen den Nullpfad $\varphi_0$.
- Desweiteren betrachten wir nur noch solche Pfade $\varphi_j ∈ {\it \Phi}$, die alle zu einer vorgegebenen Zeit $t$ vom Nullpfad abweichen und irgendwann wieder zu diesem zurückkehren.
Obwohl nur ein Bruchteil aller Trellispfade zu dieser Menge ${\it \Phi}$ gehören, beinhaltet ${\it \Phi} = \{\varphi_1, \ \varphi_2, \ \varphi_3, \ ...\}$ noch immer eine unbegrenzte Menge an Pfaden. $\varphi_0$ gehört nicht zu dieser Menge.
Im obigen Trellis sind einige Pfade $\varphi_j ∈ {\it \Phi}$ eingezeichnet:
- Der gelbe Pfad $\varphi_1$ gehört zur Sequenz $\underline{x}_1 = (11, 10, 11)$ mit dem Hamming–Gewicht $w_{\rm H}(\underline{x}_1) = 5$. Damit ist auch das Pfadgewicht $w(\varphi_1) = 5$. Aufgrund der Festlegung des Abzweigzeitpunktes $t$ hat nur noch dieser einzige Pfad $\varphi_1$ die freie Distanz $d_{\rm F} = 5$ zum Nullpfad ⇒ $A_5 = 1$.
- Für die beiden grünen Pfade mit den korrespondierenden Sequenzen $\underline{x}_2 = (11, 01, 01, 11)$ bzw. $\underline{x}_3 = (11, 10, 00, 10, 11)$ gilt $w(\varphi_2) = w(\varphi_3) = 6$. Kein anderer Pfad weist das Pfadgewicht $6$ auf. Wir berücksichtigen diese Tatsache durch den Koeffizienten $A_6 = 2$.
- Eingezeichnet ist auch der graue Pfad $\varphi_4$, assoziiert mit der Sequenz $\underline{x}_4 = (11, 01, 10, 01, 11)$ ⇒ $w(\varphi_4) = 7$. Auch die Sequenzen $\underline{x}_5 = (11, 01, 01, 00, 10, 11), \ \underline{x}_6 = (11, 10, 00, 01, 01, 11)$ und $\underline{x}_7 = (11, 10, 00, 10, 00, 10, 11)$ weisen jeweils das gleiche Pfadgewicht $7$ auf ⇒ $A_7 = 4$.
Damit lautet die Pfadgewichtsfunktion:
\[T(X) = A_5 \cdot X^5 + A_6 \cdot X^6 + A_7 \cdot X^7 + \text{...} \hspace{0.1cm}= X^5 + 2 \cdot X^6 + 4 \cdot X^7+ \text{...}\hspace{0.1cm} \hspace{0.05cm}.\]
Die Definition dieser Funktion $T(X)$ lautet:
$\text{Definition:}$ Für die Pfadgewichtsfunktion (englisch: Path Weight Enumerator Function, PWEF) eines Faltungscodes gilt:
- \[T(X) = \sum_{\varphi_j \in {\it \Phi} }\hspace{0.1cm} X^{w(\varphi_j) } \hspace{0.1cm}=\hspace{0.1cm} \sum_{w\hspace{0.05cm} =\hspace{0.05cm} d_{\rm F} }^{\infty}\hspace{0.1cm} A_w \cdot X^w \hspace{0.05cm}.\]
- ${\it \Phi}$ bezeichnet die Menge aller Pfade an, die den Nullpfad $\varphi_0$ genau zum festgelegten Zeitpunkt $t$ verlassen und (irgendwann) später zu diesem zurückkehren.
- Gemäß dem zweiten Gleichungsteil sind die Summanden nach ihren Pfadgewichten $w$ geordnet, wobei $A_w$ die Anzahl der Pfade mit Pfadgewicht $w$ bezeichnet. Die Summe beginnt mit $w = d_{\rm F}$.
- Das Pfadgewicht $w(\varphi_j)$ ist gleich dem Hamming–Gewicht (Anzahl der Einsen) der zum Pfad $\varphi_j$ assoziierten Codesequenz $\underline{x}_j$:
- \[w({\varphi_j) = w_{\rm H}(\underline {x} }_j) \hspace{0.05cm}.\]
Hinweis: Die für die linearen Blockcodes definierte Gewichtsfunktion $W(X)$ und die hier
definierte Pfadgewichtsfunktion $T(X)$ weisen viele Gemeinsamkeiten auf, sie sind jedoch nicht identisch.
Wir betrachten nochmals die Gewichtsfunktion des $(7, 4, 3)$–Hamming–Codes:
- \[W(X) = 1 + 7 \cdot X^{3} + 7 \cdot X^{4} + X^{7},\]
und die Pfadgewichtsfunktion unseres Standard–Faltungscodierers:
- \[T(X) = X^5 + 2 \cdot X^6 + 4 \cdot X^7+ 8 \cdot X^8+ \text{...} \]
Auffallend ist die „$1$” in der ersten Gleichung, die in der zweiten Gleichung fehlt. Das heißt: Bei den linearen Blockcodes wird das Bezugs–Codewort $\underline{x}_i = \underline{0}$ mitgezählt, wohingegen die Nullcodesequenz $\underline{x}_i = \underline{0}$ bzw. der Nullpfad $\varphi_0$ bei den Faltungscodes ausgeschlossen wird.
$\text{Persönliche Meinung des Autors:}$
Man hätte man $W(X)$ ebenfalls ohne die „$1$” definieren können. Damit wäre unter anderem vermieden worden, dass sich die Bhattacharyya–Schranke für lineare Blockcodes und für Faltungscodes durch „$-1$” unterscheiden, wie aus den folgenden Gleichungen hervorgeht:
- Bhattacharyya–Schranke für die linearen Blockcodes: ${\rm Pr(Blockfehler)} \le W(X = \beta) -1 \hspace{0.05cm},$
- Bhattacharyya–Schranke für die Faltungscodes: ${\rm Pr(Burstfehler)} \le T(X = \beta) \hspace{0.05cm}.$
Die Pfadgewichtsfunktion $T(X)$ liefert nur Informationen hinsichtlich der Gewichte der Codesequenz $\underline{x}$. Mehr Informationen erhält man, wenn zusätzlich auch die Gewichte der Informationssequenz $\underline{u}$ erfasst werden. Man benötigt dann zwei Formalparameter $X$ und $U$, wie aus der Definition auf der folgenden Seite hervorgeht.
Erweiterte Pfadgewichtsfunktion
$\text{Definition:}$ Die erweiterte Pfadgewichtsfunktion (englisch: Enhanced Path Weight Enumerator Function, EPWEF) lautet:
- \[T_{\rm enh}(X, U) = \sum_{\varphi_j \in {\it \Phi} }\hspace{0.1cm} X^{w(\varphi_j)} \cdot U^{ { u}(\varphi_j)} \hspace{0.1cm}=\hspace{0.1cm} \sum_{w} \sum_{u}\hspace{0.1cm} A_{w, \hspace{0.05cm}u} \cdot X^w \cdot U^{u} \hspace{0.05cm}.\]
Es gelten alle Angaben zur $T(X)$–Definition auf der letzten Seite. Zusätzlich ist zu beachten:
- Das Pfadeingangsgewicht $u(\varphi_j)$ ist gleich dem Hamming–Gewicht der zum Pfad $\varphi_j$ assoziierten Informationssequenz $\underline{u}_j$. Es wird als Potenz des Formalparameters $U$ ausgedrückt.
- Der Koeffizient $A_{w, \ u}$ bezeichnet die Anzahl der Pfade $\varphi_j$ mit dem Pfadausgangsgewicht $w(\varphi_j)$ und dem Pfadeingangsgewicht $u(\varphi_j)$. Als Laufvariable für den zweiten Anteil wird $u$ verwendet.
- Setzt man in der erweiterten Pfadgewichtsfunktion den Formalparameter $U = 1$, so ergibt sich die ursprüngliche Gewichtsfunktion $T(X)$ gemäß der Definition auf der letzten Seite.
Bei vielen (und allen relevanten) Faltungscodes lässt sich obere Gleichung noch vereinfachen:
- \[T_{\rm enh}(X, U) =\hspace{0.1cm} \sum_{w = d_{\rm F} }^{\infty}\hspace{0.1cm} A_w \cdot X^w \cdot U^{u} \hspace{0.05cm}.\]
$\text{Beispiel 2:}$ Die erweiterte Pfadgewichtsfunktion unseres Standardcodieres lautet somit:
- \[T_{\rm enh}(X, U) = U \cdot X^5 + 2 \cdot U^2 \cdot X^6 + 4 \cdot U^3 \cdot X^7+ \text{ ...} \hspace{0.1cm} \hspace{0.05cm}.\]
Vergleicht man dieses Ergebnis mit dem unten dargestellten Trellis, so erkennt man:
- Der gelb hinterlegte Pfad – gekennzeichnet durch $X^5$ – setzt sich aus einem blauen Pfeil $(u_i = 1)$ und zwei roten Pfeilen $(u_i = 0)$ zusammen. Somit wird aus $X^5$ der erweiterte Term $UX^5$.
- Die Sequenzen der beiden grünen Pfade sind $\underline{u}_2 = (1, 1, 0, 0)$ ⇒ $\underline{x}_2 = (11, 01, 01, 11)$ sowie $\underline{u}_3 = (1, 0, 1, 0, 0)$ ⇒ $\underline{x}_3 = (11, 10, 00, 10, 11)$. Daraus ergibt sich der zweite Term $2 \cdot U^2X^6$.
- Der graue Pfad (und die drei nicht gezeichneten Pfade) ergeben zusammen den Beitrag $4 \cdot U^3X^7$. Jeder dieser Pfade beinhaltet drei blaue Pfeile ⇒ drei Einsen in der zugehörigen Informationssequenz.
Pfadgewichtsfunktion aus Zustandsübergangsdiagramm
Es gibt eine elegante Methode, um die Pfadgewichtsfunktion $T(X)$ und deren Erweiterung direkt aus dem Zustandsübergangsdiagramm zu bestimmen. Dies soll hier und auf den folgenden Seiten am Beispiel unseres Standardcodierers demonstriert werden.
Zunächst muss dazu das Zustandsübergangsdiagramm umgezeichnet werden. Die Grafik zeigt dieses links in der bisherigen Form als Diagramm (A), während rechts das neue Diagramm (B) angegeben ist.
Man erkennt:
- Der Zustand $S_0$ wird aufgespalten in den Startzustand $S_0$ und den Endzustand $S_0'$. Damit lassen sich alle Pfade des Trellisdiagramms, die im Zustand $S_0$ beginnen und irgendwann zu diesem zurückkehren, auch im rechten Graphen (B) nachvollziehen. Ausgeschlossen sind dagegen direkte Übergänge von $S_0$ nach $S_0'$ und damit auch der Nullpfad (Dauer–$S_0$).
- Im Diagramm (A) sind die Übergänge anhand der Farben Rot (für $u_i = 0$) und Blau (für $u_i = 1$) unterscheidbar, und die Codeworte $\underline{x}_i ∈ \{00, 01, 10, 11\}$ sind an den Übergängen vermerkt. Im neuen Diagramm (B) werden $(00)$ durch $X^0 = 1$ und $(11)$ durch $X^2$ ausgedrückt. Die Codeworte $(01)$ und $(10)$ sind nun nicht mehr unterscheidbar, sondern werden einheitlich mit $X$ bezeichnet.
- Anders formuliert: Das Codewort $\underline{x}_i$ wird nun als $X^w$ dargestellt, wobei $X$ eine dem Ausgang (der Codesequenz) zugeordnete Dummy–Variable ist und $w = w_{\rm H}(\underline{x}_i)$ das Hamming–Gewicht des Codewortes $\underline{x}_i$ angibt. Bei einem Rate–$1/2$–Code ist der Exponent $w$ entweder $0, 1$ oder $2$.
- Ebenfalls verzichtet wird im Diagramm (B) auf die Farbcodierung. Das Informationsbit $u_i = 1$ wird nun durch $U^1 = U$ und das Informationsbit $u_i = 0$ durch $U^0 = 1$ gekennzeichnet. Die Dummy–Variable $U$ ist also der Eingangssequenz $\underline{u}$ zugeordnet.
Regeln zur Manipulation des Zustandsübergangsdiagramms
Ziel unserer Berechnungen wird es sein, den (beliebig komplizierten) Weg von $S_0$ nach $S_0'$ durch die erweiterte Pfadgewichtsfunktion $T_{\rm enh}(X, \ U)$ zu charakterisieren. Dazu benötigen wir Regeln, um den Graphen schrittweise vereinfachen zu können.
Serielle Übergänge
Zwei serielle Verbindungen – gekennzeichnet durch $A(X, \ U)$ und $B(X, \ U)$ – können durch eine einzige Verbindung mit dem Produkt dieser Bewertungen ersetzt werden.
Parallele Übergänge
Zwei parallele Verbindungen – gekennzeichnet durch $A(X, \ U)$ und $B(X, \ U)$ – werden durch die Summe ihrer Bewertungsfunktionen zusammengefasst.
Ring Die nebenstehende Konstellation kann durch eine einzige Verbindung ersetzt werden, wobei für die Ersetzung gilt:
- \[E(X, U) = \frac{A(X, U) \cdot B(X, U)}{1- C(X, U)} \hspace{0.05cm}.\]
Rückkopplung Durch die Rückkopplung können sich hier zwei Zustände beliebig oft abwechseln. Für diese Konstellation gilt:
- \[F(X, U) = \frac{A(X, U) \cdot B(X, U)\cdot C(X, U)}{1- C(X, U)\cdot D(X, U)} \hspace{0.05cm}.\]
Die hier angegebenen Gleichungen für Ring und Rückkopplung sind in Aufgabe 3.12Z zu beweisen.
$\text{Beispiel 3:}$ Die oben genannten Regeln sollen nun auf unser Standardbeispiel angewendet werden. In der Grafik sehen Sie links das modifizierte Zustandsübergangsdiagramm (B).
- Zunächst ersetzen wir den rot hinterlegten Umweg von $S_1$ nach $S_2$ über $S_3$ im Diagramm (B) durch die im Diagramm (C) eingezeichnete rote Verbindung $T_1(X, \hspace{0.05cm} U)$. Es handelt sich nach der oberen Klassifizierung um einen „Ring” mit den Beschriftungen $A = C = U \cdot X$ und $B = X$, und wir erhalten für die erste Reduktionsfunktion:
- \[T_1(X, \hspace{0.05cm} U) = \frac{U \cdot X^2}{1- U \cdot X} \hspace{0.05cm}.\]
- Nun fassen wir die parallelen Verbindungen entsprechend der blauen Hinterlegung im Diagramm (C) zusammen und ersetzen diese durch die blaue Verbindung im Diagramm (D). Die zweite Reduktionsfunktion lautet somit:
- \[T_2(X, \hspace{0.05cm}U) = T_1(X, \hspace{0.05cm}U) + X = \frac{U X^2 + X \cdot (1-UX)}{1- U X} = \frac{X}{1- U X} \hspace{0.05cm}.\]
- Der gesamte Graph (D) kann dann durch eine einzige Verbindung von $S_0$ nach $S_0'$ ersetzt werden. Nach der Rückkopplungsregel erhält man für die erweiterte Pfadgewichtsfunktion:
- \[T_{\rm enh}(X, \hspace{0.05cm}U) = \frac{(U X^2) \cdot X^2 \cdot \frac{X}{1- U X} }{1- U \cdot \frac{X}{1- U X} } = \frac{U X^5}{1- U X- U X} = \frac{U X^5}{1- 2 \cdot U X} \hspace{0.05cm}.\]
- Mit der Reihenentwicklung $1/(1 \, –x) = 1 + x + x^2 + x^3 + \ \text{...} \ $ lässt sich hierfür auch schreiben:
- \[T_{\rm enh}(X, \hspace{0.05cm}U) = U X^5 \cdot \left [ 1 + 2 \hspace{0.05cm}UX + (2 \hspace{0.05cm}UX)^2 + (2 \hspace{0.05cm}UX)^3 + \text{...} \hspace{0.05cm} \right ] \hspace{0.05cm}.\]
- Setzt man die formale Input–Variable $U = 1$, so erhält man die „einfache” Pfadgewichtsfunktion, die allein Aussagen über die Gewichtsverteilung der Ausgangssequenz $\underline{x}$ erlaubt:
- \[T(X) = X^5 \cdot \left [ 1 + 2 X + 4 X^2 + 8 X^3 +\text{...}\hspace{0.05cm} \right ] \hspace{0.05cm}.\]
- Das gleiche Ergebnis haben wir bereits aus dem Trellisdiagramm auf der der Seite Pfadgewichtsfunktion abgelesen. Dort gab es einen grauen Pfad mit Gewicht $5$, zwei gelbe Pfade mit Gewicht $6$ und vier grüne Pfade mit Gewicht $7$.
Blockfehlerwahrscheinlichkeit vs. Burstfehlerwahrscheinlichkeit
Das einfache Modell gemäß der Skizze gilt sowohl für lineare Blockcodes als auch für Faltungscodes.
Blockcodes
Bei den Blockcodes bezeichnen $\underline{u} = (u_1, \ \text{...} \hspace{0.05cm}, \ u_i, \ \text{...} \hspace{0.05cm}, \ u_k)$ und $\underline{\upsilon} = (v_1, \ \text{...} \hspace{0.05cm}, v_i, \ \text{...} \hspace{0.05cm} \ , \ v_k)$ die Informationsblöcke am Eingang und Ausgang des Systems.
Damit sind folgende Beschreibungsgrößen angebbar:
- die Blockfehlerwahrscheinlichkeit ${\rm Pr(Blockfehler)} = {\rm Pr}(\underline{v} ≠ \underline{u}),$
- die Bitfehlerwahrscheinlichkeit ${\rm Pr(Bitfehler)} = {\rm Pr}(v_i ≠ u_i).$
$\text{Bitte beachten Sie:}$ Bei realen Übertragungssystemen gilt aufgrund des thermischen Rauschens stets:
- $${\rm Pr(Bitfehler)} > 0\hspace{0.05cm},$$
- $${\rm Pr(Blockfehler)} > {\rm Pr(Bitfehler)} \hspace{0.05cm}.$$
Hierfür ein einfacher Erklärungsversuch: Entscheidet der Decoder in jedem Block der Länge $k$ genau ein Bit falsch, so beträgt auch die mittlere Bitfehlerwahrscheinlichkeit ${\rm Pr(Bitfehler)}= 1/k$ und die Blockfehlerwahrscheinlichkeit ist ${\rm Pr(Blockfehler)}\equiv 1$.
Faltungscodes
Bei Faltungscodes ist die Blockfehlerwahrscheinlichkeit nicht angebbar, da hier $\underline{u} = (u_1, \ u_2, \ \text{...} \hspace{0.05cm})$ und $\underline{\upsilon} = (v_1, \ v_2, \ \text{...} \hspace{0.05cm})$ Sequenzen darstellen. Selbst der kleinstmögliche Codeparameter $k = 1$ führt hier zur Sequenzlänge $k \hspace{0.03cm}' → ∞$, und die Blockfehlerwahrscheinlichkeit ergäbe sich stets zu ${\rm Pr(Blockfehler)}\equiv 1$, selbst wenn die Bitfehlerwahrscheinlichkeit extrem klein (aber ungleich Null) ist.
$\text{Definition:}$ Für die Burstfehlerwahrscheinlichkeit eines Faltungscodes gelte:
- \[{\rm Pr(Burstfehler)} = {\rm Pr}\big \{ {\rm Decoder\hspace{0.15cm} verl\ddot{a}sst\hspace{0.15cm} zur\hspace{0.15cm} Zeit}\hspace{0.15cm}t \hspace{0.15cm}{\rm den \hspace{0.15cm}korrekten \hspace{0.15cm}Pfad}\big \} \hspace{0.05cm}.\]
- Um für die folgende Herleitung die Schreibweise zu vereinfachen, gehen wir stets von der Nullsequenz $(\underline{0})$ aus, die im gezeichneten Trellis als Nullpfad $\varphi_0$ rot dargestellt ist.
- Alle anderen Pfade $\varphi_1, \ \varphi_2, \ \varphi_3, \ \text{...} $ (und noch viele mehr) verlassen $\varphi_0$ zur Zeit $t$. Sie alle gehören zur Pfadmenge ${\it \Phi}$ ⇒ „Viterbi–Decoder verlässt den korrekten Pfad zur Zeit $t$”. Diese Wahrscheinlichkeit wird auf der nächsten Seite berechnet.
Burstfehlerwahrscheinlichkeit und Bhattacharyya–Schranke
Wir gehen wie im früheren Kapitel Schranken für die Blockfehlerwahrscheinlichkeit von der paarweisen Fehlerwahrscheinlichkeit ${\rm Pr}[\varphi_0 → \varphi_i]$ aus, dass der Decoder anstelle des Pfades $\varphi_0$ der Pfad $\varphi_i$ auswählen könnte. Alle betrachteten Pfade $\varphi_i$ verlassen den Nullpfad $\varphi_0$ zum Zeitpunkt $t$; sie gehören somit alle zur Pfadmenge ${\it \Phi}$.
Die gesuchte Burstfehlerwahrscheinlichkeit ist gleich der folgenden Vereinigungsmenge:
- \[{\rm Pr(Burstfehler)}= {\rm Pr}\left ([\varphi_{\hspace{0.02cm}0} \mapsto \varphi_{\hspace{0.02cm}1}] \hspace{0.05cm}\cup\hspace{0.05cm}[\varphi_{\hspace{0.02cm}0} \mapsto \varphi_{\hspace{0.02cm}2}]\hspace{0.05cm}\cup\hspace{0.05cm} \text{... }\hspace{0.05cm} \right )= {\rm Pr} \left ( \cup_{\varphi_{\hspace{0.02cm}i} \in {\it \Phi}} \hspace{0.15cm} [\varphi_{\hspace{0.02cm}0} \mapsto \varphi_{\hspace{0.02cm}i}] \right )\hspace{0.05cm}.\]
Eine obere Schranke hierfür bietet die so genannte Union–Bound:
- \[{\rm Pr(Burstfehler)} \le \sum_{\varphi_{\hspace{0.02cm}i} \in {\it \Phi}}\hspace{0.15cm} {\rm Pr}\left [\varphi_{\hspace{0.02cm}0} \mapsto \varphi_{\hspace{0.02cm}i}\right ] = {\rm Pr(Union \hspace{0.15cm}Bound)} \hspace{0.05cm}.\]
Die paarweise Fehlerwahrscheinlichkeit kann mit der Bhattacharyya–Schranke abgeschätzt werden:
- \[{\rm Pr}\left [\underline {0} \mapsto \underline {x}_{\hspace{0.02cm}i}\right ] \le \beta^{w_{\rm H}({x}_{\hspace{0.02cm}i})}\hspace{0.3cm}\Rightarrow \hspace{0.3cm} {\rm Pr}\left [\varphi_{\hspace{0.02cm}0} \mapsto \varphi_{\hspace{0.02cm}i}\right ] \le \hspace{0.05cm} \beta^{w(\varphi_i)}\hspace{0.05cm}.\]
Hierbei bezeichnet
- $w_{\rm H}(\underline{x}_i)$ das Hamming–Gewicht der möglichen Codesequenz $\underline{x}_i,$
- $\ w(\varphi_i)$ das Pfadgewicht des entsprechenden Pfades $\varphi_i ∈ {\it \Phi}$, und
- $\beta$ den so genannten Bhattacharyya–Kanalparameter.
Durch Summation über alle Pfade und einen Vergleich mit der (einfachen) Pfadgewichtsfunktion $T(X)$ erhalten wir das Ergebnis:
\[{\rm Pr(Burstfehler)} \le T(X = \beta),\hspace{0.5cm}{\rm mit}\hspace{0.5cm} T(X) = \sum_{\varphi_{\hspace{0.02cm}i} \in {\it \Phi}}\hspace{0.15cm} \hspace{0.05cm} X^{w(\varphi_i)}\hspace{0.05cm}.\]
$\text{Beispiel 4:}$ Für unseren Standardcodierer ⇒ $R = 1/2, \ m = 2, \ \mathbf{G}(D) = (1 + D + D^2, \ 1 + D)$ haben wir folgende Pfadgewichtsfunktion erhalten:
- \[T(X) = X^5 + 2 \cdot X^6 + 4 \cdot X^7 + ... \hspace{0.1cm} = X^5 \cdot ( 1 + 2 \cdot X + 4 \cdot X^2+ ... \hspace{0.1cm}) \hspace{0.05cm}.\]
Mit der Reihenentwicklung $1/(1 \, –x) = 1 + x + x^2 + x^3 + \ \text{...} \hspace{0.05cm} $ kann hierfür auch geschrieben werden:
- \[T(X) = \frac{X^5}{1-2 \cdot X} \hspace{0.05cm}.\]
Das BSC–Modell liefert mit der Verfälschungswahrscheinlichkeit $\varepsilon$ folgende Bhattacharyya–Schranke:
- \[{\rm Pr(Burstfehler)} \le T(X = \beta) = T( X = 2 \cdot \sqrt{\varepsilon \cdot (1-\varepsilon)}) = \frac{(2 \cdot \sqrt{\varepsilon \cdot (1-\varepsilon)})^5}{1- 4\cdot \sqrt{\varepsilon \cdot (1-\varepsilon)}}\hspace{0.05cm}.\]
In Aufgabe 3.14 soll diese Gleichung numerisch ausgewertet werden.
Bitfehlerwahrscheinlichkeit und Viterbi–Schranke
Abschließend wird eine obere Schranke für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit angegeben. Entsprechend der Grafik gehen wir wie [Liv10][1] von folgenden Gegebenheiten aus:
- Gesendet wurde die Nullsequenz $\underline{x} = \underline{0}$ ⇒ Pfad $\varphi_0$.
- Die Dauer einer Pfadabweichung (englisch: Error Burst Duration) wird mit $L$ bezeichnet.
- Den Abstand zweier Bursts (englisch: Inter–Burst Time) nennen wir $N$.
- Das Hamming–Gewicht des Fehlerbündels sei $H$.
Für einen Rate–$1/n$–Faltungscode ⇒ $k = 1$, also einem Informationsbit pro Takt, lässt sich aus den Erwartungswerten ${\rm E}[L]$, ${\rm E}[N]$ und ${\rm E}[H]$ der oben definierten Zufallsgrößen eine obere Schranke für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit angeben:
- \[{\rm Pr(Bitfehler)} = \frac{{\rm E}[H]}{{\rm E}[L] + {\rm E}[N]}\hspace{0.15cm} \le \hspace{0.15cm} \frac{{\rm E}[H]}{{\rm E}[N]} \hspace{0.05cm}.\]
Hierbei ist vorausgesetzt, dass
- die (mittlere) Dauer eines Fehlerbündels in der Praxis sehr viel kleiner ist als der zu erwartende Abstand zweier Bündel, und
- die mittlere Inter–Burst Time $E[N]$ gleich dem Kehrwert der Burstfehlerwahrscheinlichkeit ist,
- der Erwartungswert im Zähler wie folgt abgeschätzt:
- \[{\rm E}[H] \le \frac{1}{\rm Pr(Burstfehler)}\hspace{0.1cm} \cdot \sum_{\varphi_{\hspace{0.02cm}i} \in {\it \Phi}}\hspace{0.05cm} \hspace{0.05cm} u(\varphi_i) \cdot \beta^{w(\varphi_i)} \hspace{0.05cm}.\]
Bei der Herleitung dieser Schranke werden die paarweise Fehlerwahrscheinlichkeit ${\rm Pr}[\varphi_0 → \varphi_i]$ sowie die Bhattacharyya–Abschätzung verwendet. Damit erhält man mit dem Pfadeingangsgewicht $u(\varphi_i),$ dem Pfadausgangsgewicht $w(\varphi_i),$ und dem Bhattacharyya–Parameter $\beta$ die folgende Abschätzung für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit und bezeichnet diese Abschätzung die Viterbi–Schranke:
- \[{\rm Pr(Bitfehler)}\le \sum_{\varphi_{\hspace{0.02cm}i} \in {\it \Phi}}\hspace{0.05cm} \hspace{0.05cm} u(\varphi_i) \cdot \beta^{w(\varphi_i)} \hspace{0.05cm}.\]
Dieses Zwischenergebnis lässt sich auch in anderer Form darstellen. Wir erinnern uns an die erweiterte Pfadgewichtsfunktion
- \[T_{\rm enh}(X, U) = \sum_{\varphi_j \in {\it \Phi}}\hspace{0.1cm} X^{w(\varphi_j)} \cdot U^{{ u}(\varphi_j)} \hspace{0.05cm}.\]
Leitet man diese Funktion nach der Dummy–Eingangsvariablen $U$ ab, so erhält man
- \[\frac {\rm d}{{\rm d}U}\hspace{0.2cm}T_{\rm enh}(X, U) = \sum_{\varphi_j \in {\it \Phi}}\hspace{0.1cm} { u}(\varphi_j) \cdot X^{w(\varphi_j)} \cdot U^{{ u}(\varphi_j)-1} \hspace{0.05cm}.\]
Setzen wir schließlich noch für die Dummy–Eingangsvariablen $U = 1$, so erkennt den Zusammenhang zum obigen Ergebnis:
- \[\left [ \frac {\rm d}{{\rm d}U}\hspace{0.2cm}T_{\rm enh}(X, U) \right ]_{\substack{ U=1}} = \sum_{\varphi_j \in {\it \Phi}}\hspace{0.1cm} { u}(\varphi_j) \cdot X^{w(\varphi_j)} \hspace{0.05cm}.\]
$\text{Fazit:}$
- Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit eines Faltungscodes kann mit der erweiterten Pfadgewichtsfunktion in geschlossener Form abgeschätzt werden:
- \[{\rm Pr(Bitfehler)} \le {\rm Pr(Viterbi)} = \left [ \frac {\rm d}{ {\rm d}U}\hspace{0.2cm}T_{\rm enh}(X, U) \right ]_{\substack{X=\beta \\ U=1} } \hspace{0.05cm}.\]
- Man spricht von der Viterbi–Schranke. Dabei leitet man die erweiterte Pfadgewichtsfunktion nach dem zweiten Parameter $U$ ab und setzt dann $X = \beta$ und $U = 1$.
Hinweis: In Aufgabe 3.14 werden die Viterbi–Schranke und die Bhattacharyya–Schranke für unseren Rate–$1/2$–Standardcode sowie das BSC–Modell numerisch ausgewertet.
$\text{Beispiel 5:}$ Die Grafik verdeutlicht die gute Korrekturfähigkeit der Faltungscodes beim AWGN–Kanal.
- Die roten Kreise kennzeichnen die Bitfehlerrate für für unseren Rate–$1/2$–Standardcode mit Memory $m = 2$.
- Die grünen Kreuze markieren einen Faltungscode mit $m = 6$, den man oft als Industrie–Standardcode nennt.
Insbesondere Codes mit großem Gedächtnis $m$ führen zu großen Gewinnen gegenüber uncodierter Übertragung (gestrichelte Kurve).
Aufgaben zum Kapitel
Zusatzaufgaben:3.12 Ring und Rückkopplung
A3.13 Nochmals Tenh(X, U) und T(X)
A3.14 Faltungscodes: Schranken
Quellenverzeichnis
- ↑ Liva, G.: Channel Coding. Vorlesungsmanuskript, Lehrstuhl für Nachrichtentechnik, TU München und DLR Oberpfaffenhofen, 2010.