ISDN Primary Multiplex Connection

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$\text{Vorbemerkung:}$  Auch hier weisen wir darauf hin, dass der Inhalt dieses Kapitels nicht mehr ganz dem heutigen Stand der Technik (2018) entspricht. Betrachten Sie den folgenden Text deshalb als historische Abhandlung, auch wenn Teile davon auch heute noch praxisrelevant sind.


Allgemeine Beschreibung


Zunächst soll erklärt werden, wozu ein ISDN–Primärmultiplexanschluss gebraucht wird (besser gesagt:  wurde). Dieser wurde nur als  Anlagenanschluss  (Punkt–zu–Punkt) angeboten. Dies besagt, dass man nur ein Gerät an den Netzabschluss anschließen konnte, nämlich eine Telekommunikationsanlage, im Folgenden mit  TK–Anlage  abgekürzt.

Die Gründe für die Verwendung eines Anlagenanschlusses waren vielfältig:

  • Firmen, Behörden oder Krankenhäuser brauchen häufig eine Zentralrufnummer und einen Block von Durchwahlnummern. Meistens ist die Durchwahlnummer der Zentrale die „0”.
  • Die Zentralrufnummer ist 3– bis 5–stellig, eine Durchwahlnummer danach ist 2– bis 5–stellig. Dies erlaubt die direkte Anwahlmöglichkeit eines Gesprächspartners von außen.
  • Das Telefonieren zwischen Mitarbeitern – also eine interne Verbindung – sollte kostenlos sein.


$\text{Beispiel 1:}$  Betrachten wir einen Betrieb in München, dessen Zentrale von außen über „089/4711 – 0” und intern mit „0” zu erreichen ist. Der Mitarbeiter  $X$  ist von außerhalb kostenpflichtig unter der Durchwahl „089/4711 – 432” zu erreichen und intern ohne Gebühren unter „432”.


ISDN–Primärmultiplexanschluss

Größere Firmen arbeiten meist mit einem  Primärmultiplexanschluss  (PMxAs), an dem die Telekommunikations– bzw. Datenverarbeitungsanlage durch eine Vierdrahtleitung angeschlossen wird. Die englische Bezeichnung für einen solchen Anschluss ist Primary Rate Interface  (PRI).

Der Primärmultiplexanschluss gemäß nebenstehender Grafik bietet:

  • 30 vollduplexfähige Basiskanäle mit jeweils 64 kbit/s,
  • einen Signalisierungskanal (D) mit 64 kbit/s,
  • einen Synchronisationskanal (ebenfalls mit 64 kbit/s), und dementsprechend
  • eine  Brutto–Datenrate  von  $32 · 64 \hspace{0.15cm}\underline{ = 2048 \ \rm kbit/s}$.


Es folgen noch einige allgemeine Angaben zum Primärmultiplexanschluss:

  • Die Realisierung der 30 Nutzkanäle erfolgt mit dem Multiplexsystem „PCM–30”. Im Gegensatz zum Basisanschluss ist hier nur eine Punkt–zu–Punkt–Verbindung möglich. Das heißt, dass eine zweite Anlage nicht an die gleiche Leitung angeschlossen werden kann wie bei einem Bus.
  • Die Telefonanlage wird über das Netzabschlussgerät NTPM (Network Termination for Primary Rate Multiplex Access) an die örtliche Vermittlungsstelle angeschlossen.
  • Dieser Anschluss ist vierdrahtig   ⇒   beide Übertragungsrichtungen sind getrennt. Somit sind im NTPM und in der Ortsvermittlung keine Richtungstrennungsverfahren (Gabelschaltung, Echo–Kompensation, usw.) erforderlich.
  • Man bezeichnet den  Referenzpunkt  $\rm U$  zwischen Netzabschluss und Ortsvermittlungsstelle beim Primärmultiplexanschluss mit  $\rm U_{K2}$, wenn ein Kupferkabel  $\rm (K)$  verwendet wird; die  $\rm (2)$  steht für die Übertragungsrate 2 Mbit/s. Bei einem Glasfaseranschluss nennt man diesen Punkt  $\rm U_{G2}$.
  • Entsprechend wird die Verbindung zwischen dem Netzabschluss und der TK–Anlage allgemein als die  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle bezeichnet. Technisch besteht allerdings kein großer Unterschied zwischen der  $\rm U_{K2}$– und der  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle.



Rahmenstruktur von S2M– und UK2–Schnittstelle


Die  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle stellt die Verbindung zwischen Telekommunikationsanlage und Netzabschluss (NTPM) dar, die mit zwei Kupferdoppeladern realisiert wird. Da hier nur ein Punkt–zu–Punkt–Betrieb möglich ist, ist die  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle nicht als Bus ausgelegt wie die  $\rm S_{0}$–Schnittstelle beim Basisanschluss, und daher ist hier auch kein Kollisionserkennungsverfahren erforderlich.

Rahmenstruktur der  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle

Die Grafik zeigt die Rahmenstruktur der  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle. Man erkennt:

  • Im Zeitmultiplex wird alle 125 Mikrosekunden ein TDMA–Rahmen übertragen. Jeder der 32 Kanäle belegt den TDMA–Rahmen aber nur für die Dauer von  $125\ \rm µs/32 = 3.906 \ \rm µs$.
  • Pro Kanal und TDMA–Rahmen werden acht Bit übertragen; die Bitdauer ist  $T_\text{B} = 3.906 \ \rm µs/8 = 0.488 \ \rm µs$. Deren Kehrwert ergibt die  Brutto–Datenrate  $R_\text{B} \hspace{0.15cm}\underline{= 2.048 \ \rm Mbit/s}$.
  • Die Kanäle  1  bis  15  sowie  17  bis  31  stellen die Nutzkanäle ($\rm B$–Kanäle) dar, die alle mit $64 \ \rm kbit/s$ unabhängig voneinander betrieben werden. Der Kanal  16  ($\rm D$–Kanal, in der Grafik rot markiert) sorgt für die Steuerung dieser B–Kanäle und der gesamten Telefonanlage.
  • Der Kanal  0  (Synchronisationskanal, blau markiert) dient bei ungeradem Rahmen  (mit Nummer  $1, 3, 5,$ ...)  zur Rahmenerkennung, während die geraden Rahmen  ($2, 4, 6,$ ...)  für Wartungszwecke und für die Fehlerbehandlung genutzt werden. Beides geschieht mit Hilfe des  $\rm CRC4$–Verfahrens, das auf der nächsten Seite genauer beschrieben wird.


Die  $\rm U_{K2}$–Schnittstelle weist genau gleiche Eigenschaften wie die  $\rm S_{2M}$–Schnittstelle auf und besitzt damit auch die gleiche Rahmenstruktur.


Rahmensynchronisation


Die Synchronisation ist beim Primärmultiplexanschluss jeweils im  Synchronisierungskanal  (Kanal  0)  eines Rahmens realisiert. Man verwendet dafür den  Cyclic Redundancy Check  $\rm (CRC4)$, der in aller Kürze wie folgt dargestellt werden kann:

  • Der Kanal  0  eines jeden ungeraden Zeitrahmens  (Nummer 1, 3, ... , 15)  überträgt das so genannte Rahmenkennwort  (RKW), während jeder gerade Rahmen  (Nummer 2, 4, ... , 16)  von Kanal  0  das Meldewort  (MW) beinhaltet.
  • Anhand des Rahmenkennworts mit dem festen Bitmuster „$\rm X001\hspace{0.08cm} 1011$” wird die Synchronisation zwischen der Sende– und der Empfangsrichtung hergestellt. Das erste Bit  $\rm X ∈ {0, 1}$ wird dabei durch das CRC4–Verfahren bestimmt.
  • Das Meldewort lautet „$\rm X1DN\hspace{0.08cm} YYYY$”. Über das D–Bit und N–Bit werden Fehlermeldungen  signalisiert. Die vier  $\rm Y$–Bits sind für Service–Funktionen  reserviert. Das  $\rm X$–Bit wird wieder durch das CRC4–Verfahren gewonnen.
  • Man benötigt für das CRC4–Verfahren 16  $\rm X$–Bits und damit 16 aufeinander folgende Pulsrahmen, die in zwei Mehrfachrahmen aufgeteilt werden. Die Länge eines Mehrfachrahmens ist deshalb  $8 · 256 = 2048$  Bit und die Zeitdauer beträgt  $8 · 0.125 = 1$  Millisekunde.
  • Die CRC4–Prüfsumme wird als Folge von vier Bit  $(\rm C0$, ... , $\rm C3)$  in jedem Mehrfachrahmen gebildet und liefert das jeweils erste Bit  $\rm (X)$  für vier aufeinander folgende Rahmenkennworte.


Die Tabelle zeigt die jeweilige Rahmenbelegung des Synchronisierungskanals  0  für einen Zyklus des CRC4–Verfahrens.

Rahmenbelegung des Synchronisierungskanals

$\text{Beispiel 2:}$  Die Vorgehensweise beim CRC4–Verfahren soll an einem Beispiel erklärt werden, wobei vom Generatorpolynom  $D^4 + D + 1$  ausgegangen wird. In der Binärdarstellung lautet dieses:  $10011$.

Beispiel für das CRC4–Verfahren

Die Grafik zeigt die Gewinnung der CRC4–Prüfsumme (links) und deren Auswertung beim Empfänger (rechts). Man erkennt:

  • Die CRC4–Prüfsumme am Sender ergibt sich als der Rest der Division eines Datenblocks mit insgesamt zwölf Bit (acht Nutzbit, im Beispiel $1000\hspace{0.05cm} 1100$, an die $0000$ angehängt wird) durch das Generatorpolynom in Binärdarstellung ($10011$). In Polynomschreibweise ergibt sich der Rest der Division $(D^{11} + D^7 + D^6 ) : ( D^4 + D + 1)$ zu $R(D) = D^3 + 1$   ⇒ &nbsp: binär $1001$.
  • Die Division wird durch eine Modulo–2–Addition (bitweise XOR–Verknüpfung) realisiert. Im Beispiel liefert die Division den Rest $1001$. Diese vier Bit $(\rm C0$, ... , $\rm C3)$ der CRC–Prüfsumme werden dann in verschiedenen Rahmen des Synchronisierungskanals zum Empfänger übertragen (siehe Rahmenbelegung in der obigen Grafik).
  • Nachdem der Empfänger diese zwölf Bit (Datenblock und CRC4–Prüfsumme) empfangen hat, teilt dieser dieses 12–stellige Binärwort ebenfalls durch das Generatorpolynom. Im Beispiel ergibt diese Division$1000\hspace{0.05cm} 1100\hspace{0.05cm} 1001$ geteilt durch $1001$ den Rest Null. Dieses Ergebnis zeigt an, dass keine Übertragungsfehler aufgetreten sind.
  • Ist der Divisionsrest ungleich Null, so weist das Ergebnis auf einen Übertragungsfehler hin. In diesem Fall müssen die Daten beim Sender nochmals angefordert werden.


Nachrichtentechnische Aspekte


AMI–Code und HDB3–Code

Beim ISDN–Primärmultiplexanschluss wird auf der $\rm S_{2M}$– und auch auf der $\rm U_{K2}$–Schnittstelle jeweils der so genannte HDB3–Leitungscode (High Density Bipolar 3ary) verwendet. Gegenüber dem modifizierten AMI–Code auf der $\rm S_{0}$–Schnittstelle des Basisanschlusses

  • wird das Auftreten von langen Nullfolgen vermieden und dadurch
  • dem Empfänger eine sicherere Taktrückgewinnung und Synchronisation ermöglicht.


Die HDB3–Leitungscodierung funktioniert wie folgt:

  • Wie beim AMI–Code wird jeder binären „0” der Signalpegel 0 V zugeordnet, während die binäre „1” alternierend durch die Werte $+s_0$ bzw. $–s_0$ dargestellt wird.
  • Treten im AMI–codierten Signal vier aufeinander folgende „0”–Bits auf, so werden diese durch eine Folge von vier anderen Bits ersetzt, welche die AMI–Codierregel verletzen.
  • Ist wie in obiger Grafik die Anzahl der Einsen gerade oder Null und der letzte Puls vor diesen vier Bits negativ (bzw. positiv), so wird „0 0 0 0” durch „+ 0 0 +” ersetzt. Wäre dagegen der letzte Puls vor diesen vier Bits positiv, so würde „0 0 0 0” durch „– 0 0 –” ersetzt.
  • Bei ungerader Anzahl von Einsen vor diesem „0 0 0 0”–Block würden dagegen „0 0 0 +” (falls letzter Puls positiv) oder „0 0 0 –” (falls letzter Puls negativ) als Ersetzungen gewählt. Die Gleichstromfreiheit bleibt durch diese Maßnahmen erhalten.
  • In allen vier Fällen kann der Decoder die Verletzung der AMI–Regel erkennen und diesen Block wieder durch „0 0 0 0” ersetzen.

Aufgaben zum Kapitel


Aufgabe 1.5: HDB3–Codierung

Aufgabe 1.6: Cyclic Redundancy Check (CRC4)