Contents
- 1 Definition der Bitfehlerwahrscheinlichkeit
- 2 Definition der Bitfehlerquote
- 3 Bitfehlerwahrscheinlichkeit und Bitfehlerquote beim BSC-Modell
- 4 Fehlerwahrscheinlichkeit bei Gaußschem Rauschen
- 5 Optimaler Binärempfänger - Realisierung mit Matched-Filter
- 6 Optimaler Binärempfänger – Realisierungsform „Integrate & Dump”
- 7 Interpretation des optimalen Empfängers
- 8 Aufgaben zum Kapitel
- 9 Quellenverzeichnis
Definition der Bitfehlerwahrscheinlichkeit
Die Grafik zeigt ein sehr einfaches, aber allgemeingültiges Modell eines binären Übertragungssystems. Dieses lässt sich wie folgt charakterisieren:
- Quelle und Sinke werden durch die beiden Binärfolgen 〈q_ν〉 und 〈v_ν〉 beschrieben.
- Das gesamte Übertragungsystem – bestehend aus Sender, Übertragungskanal inklusive Störungen und Empfänger – wird als „Black Box” mit binärem Eingang und binärem Ausgang betrachtet.
- Dieser „Digitale Kanal” wird allein durch die Fehlerfolge 〈e_ν〉 charakterisiert. Bei fehlerfreier Übertragung des \nu–ten Bits (v_ν = q_ν) gilt e_ν= 0, andernfalls (v_ν \ne q_ν) wird e_ν= 1 gesetzt.
\text{Definition:} Die (mittlere) Bitfehlerwahrscheinlichkeit ist bei einem Binärsystem wie folgt gegeben:
- p_{\rm B} = {\rm E}\big[{\rm Pr}(v_{\nu} \ne q_{\nu})\big]= \overline{ {\rm Pr}(v_{\nu} \ne q_{\nu}) } = \lim_{N \to\infty}\frac{1}{N}\cdot\sum\limits_{\nu=1}^{N}{\rm Pr}(v_{\nu} \ne q_{\nu})\hspace{0.05cm}.
Diese statistische Größe ist das wichtigste Beurteilungskriterium eines jeden Digitalsystems.
- Die Berechnung als Erwartungswert \rm E[\text{...}] gemäß dem ersten Teil der obigen Gleichung entspricht einer Scharmittelung über die Verfälschungswahrscheinlichkeit {\rm Pr}(v_{\nu} \ne q_{\nu}) des \nu–ten Symbols, während die überstreichende Linie im rechten Gleichungsteil eine Zeitmittelung kennzeichnet.
- Beide Berechnungsarten führen – unter der gerechtfertigten Annahme ergodischer Prozesse – zum gleichen Ergebnis, wie im vierten Hauptkapitel „Zufallsgrößen mit statistischen Bindungen” des Buches Stochastische Signaltheorie gezeigt wurde.
- Auch aus der Fehlerfolge 〈e_ν〉 lässt sich die Bitfehlerwahrscheinlichkeit als Erwartungswert bestimmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Fehlergröße e_ν nur die Werte 0 und 1 annehmen kann:
- \it p_{\rm B} = \rm E\big[\rm Pr(\it e_{\nu}=\rm 1)\big]= {\rm E}\big[{\it e_{\nu}}\big]\hspace{0.05cm}.
- Die obige Definition der Bitfehlerwahrscheinlichkeit gilt unabhängig davon, ob es statistische Bindungen innerhalb der Fehlerfolge 〈e_ν〉 gibt oder nicht. Je nachdem muss man bei einer Systemsimulation unterschiedliche digitale Kanalmodelle verwenden. Der Aufwand zur p_{\rm B}–Berechnung hängt hiervon ab.
Im fünften Hauptkapitel wird gezeigt, dass das so genannte BSC–Modell (Binary Symmetrical Channel) statistisch unabhängige Fehler liefert, während für die Beschreibung von Bündelfehlerkanälen auf die Modelle von Gilbert–Elliott [Gil60][1] und von McCullough [McC68][2] zurückgegriffen werden muss.
Definition der Bitfehlerquote
Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B} eignet sich zum Beispiel gut für die Konzipierung und Optimierung von Digitalsystemen. Diese ist eine Apriori-Kenngröße, die eine Vorhersage über das Fehlerverhalten eines Nachrichtensystems erlaubt, ohne dass dieses bereits realisiert sein muss.
Dagegen muss zur messtechnischen Erfassung der Qualität eines realisierten Systems oder bei einer Systemsimulation auf die Bitfehlerquote übergegangen werden, die durch den Vergleich von Quellensymbolfolge 〈q_ν〉 und Sinkensymbolfolge 〈v_ν〉 ermittelt wird. Diese ist somit eine Aposteriori-Kenngröße des Systems.
\text{Definition:} Die Bitfehlerquote (englisch: Bit Error Rate, BER) ist das Verhältnis aus der Anzahl n_{\rm B}(N) der aufgetretenen Bitfehler (v_ν \ne q_ν) und der Anzahl N der insgesamt übertragenen Symbole:
- h_{\rm B}(N) = \frac{n_{\rm B}(N)}{N} \hspace{0.05cm}.
Im Sinne der Wahrscheinlichkeitsrechnung ist die Bitfehlerquote eine relative Häufigkeit; sie wird deshalb auch Bitfehlerhäufigkeit genannt.
- Die Schreibweise h_{\rm B}(N) soll deutlich machen, dass die per Messung oder durch Simulation ermittelte Bitfehlerquote signifikant von dem Parameter N – also der Anzahl der insgesamt übertragenen oder simulierten Symbole – abhängt.
- Nach den elementaren Gesetzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung stimmt nur im Grenzfall N \to \infty die Aposteriori–Kenngröße h_{\rm B}(N) mit der Apriori–Kenngröße p_{\rm B} exakt überein.
Der Zusammenhang zwischen Wahrscheinlichkeit und relativer Häufigkeit wird im Lernvideo Bernoullisches Gesetz der großen Zahlen verdeutlicht.
Bitfehlerwahrscheinlichkeit und Bitfehlerquote beim BSC-Modell
Für die nachfolgenden Herleitungen wird das BSC–Modell (Binary Symmetric Channel ) zugrunde gelegt, das in Kapitel 5.2 im Detail beschrieben wird.
- Jedes Bit wird mit der Wahrscheinlichkeit p = {\rm Pr}(v_{\nu} \ne q_{\nu}) = {\rm Pr}(e_{\nu} = 1) verfälscht, unabhängig von den Fehlerwahrscheinlichkeiten der benachbarten Symbole.
- Die (mittlere) Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B} ist somit ebenfalls gleich p.
Nun wird abgeschätzt, wie genau beim BSC-Modell die Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B} = p durch die Bitfehlerquote h_{\rm B}(N) approximiert wird:
- Die Anzahl der Bitfehler bei der Übertragung von N Symbolen ist eine diskrete Zufallsgröße:
- n_{\rm B}(N) = \sum\limits_{\it \nu=\rm 1}^{\it N} e_{\nu} \hspace{0.2cm} \in \hspace{0.2cm} \{0, 1, \hspace{0.05cm}\text{...} \hspace{0.05cm} , N \}\hspace{0.05cm}.
- Bei statistisch unabhängigen Fehlern (BSC–Modell) ist n_{\rm B}(N) binominalverteilt. Demzufolge gilt für Mittelwert und Streuung dieser Zufallsgröße:
- m_{n{\rm B}}=N \cdot p_{\rm B},\hspace{0.2cm}\sigma_{n{\rm B}}=\sqrt{N\cdot p_{\rm B}\cdot (\rm 1- \it p_{\rm B})}\hspace{0.05cm}.
- Für Mittelwert und Streuung der Bitfehlerquote h_{\rm B}(N)= n_{\rm B}(N)/N gilt deshalb:m_{h{\rm B}}= \frac{m_{n{\rm B}}}{N} = p_{\rm B}\hspace{0.05cm},\hspace{0.2cm}\sigma_{h{\rm B}}= \frac{\sigma_{n{\rm B}}}{N}= \sqrt{\frac{ p_{\rm B}\cdot (\rm 1- \it p_{\rm B})}{N}}\hspace{0.05cm}.
- Nach Moivre und Laplace kann aber die Binominalverteilung näherungsweise durch eine Gaußverteilung approximiert werden:
- f_{h{\rm B}}({h_{\rm B}}) \approx \frac{1}{\sqrt{2\pi}\cdot\sigma_{h{\rm B}}}\cdot {\rm e}^{-(h_{\rm B}-p_{\rm B})^2/(2 \hspace{0.05cm}\cdot \hspace{0.05cm}\sigma_{h{\rm B}}^2)}.
- Mit dem Gaußschen Fehlerintergal {\rm Q}(x) lässt sich so die Wahrscheinlichkeit p_\varepsilon berechnen, dass die per Simulation/Messung über N Symbole ermittelte Bitfehlerquote h_{\rm B}(N) betragsmäßig um weniger als einen Wert \varepsilon von der tatsächlichen Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B} abweicht:
- p_{\varepsilon}= {\rm Pr} \left( |h_{\rm B}(N) - p_{\rm B}| < \varepsilon \right) = 1 -2 \cdot {\rm Q} \left( \frac{\varepsilon}{\sigma_{h{\rm B}}} \right)= 1 -2 \cdot {\rm Q} \left( \frac{\varepsilon \cdot \sqrt{N}}{\sqrt{p_{\rm B} \cdot (1-p_{\rm B})}} \right)\hspace{0.05cm}.
\text{Fazit:} Dieses Ergebnis ist wie folgt zu interpretieren:
- Führt man unendlich viele Versuchsreihen über jeweils N Symbole durch, ist der Mittelwert m_{h{\rm B} } tatsächlich gleich der gesuchten Fehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B}.
- Bei einer einzigen Versuchsreihe wird man dagegen nur eine Näherung erhalten, wobei die jeweilige Abweichung vom Sollwert bei mehreren Versuchsreihen gaußverteilt ist.
\text{Beispiel 1:} Die Bitfehlerwahrscheinlichkeit betrage p_{\rm B}= 10^{-3} und es ist bekannt, dass die Bitfehler statistisch unabhängig sind.
- Macht man nun sehr viele Versuchsreihen mit jeweils N= 10^{5} Symbolen, so werden die jeweiligen Ergebnisse h_{\rm B}(N) entsprechend einer Gaußverteilung um den Sollwert 10^{-3} variieren.
- Die Streuung beträgt dabei \sigma_{h{\rm B} }= \sqrt{ { p_{\rm B}\cdot (\rm 1- \it p_{\rm B})}/{N} }\approx 10^{-4}\hspace{0.05cm}.
- Die Wahrscheinlichkeit, dass die relative Häufigkeit einen Wert zwischen 0.9 \cdot 10^{-3} und 1.1 \cdot 10^{-3} haben wird (\varepsilon=10^{-4}), ist somit gleich
- p_{\varepsilon} = 1 - 2 \cdot {\rm Q} \left({\varepsilon}/{\sigma_{h{\rm B} } } \right )= 1 - 2 \cdot {\rm Q} (1) \approx 68.4\%.
- Soll diese Wahrscheinlichkeit (Genauigkeit) auf 95\% gesteigert werden, so wären N = 400\hspace{0.05cm}000 Symbole erforderlich.
Fehlerwahrscheinlichkeit bei Gaußschem Rauschen
Entsprechend den Voraussetzungen zu diesem Kapitel gehen wir von folgenden Annahmen aus:
- Das Detektionssignal zu den Detektionszeitpunkten kann wie folgt dargestellt werden: d(\nu T) = d_{\rm S}(\nu T)+d_{\rm N}(\nu T)\hspace{0.05cm}.
- Der Nutzanteil wird durch die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion (WDF) f_{d{\rm S}}(d_{\rm S}) beschrieben, wobei wir hier von unterschiedlichen Auftrittswahrscheinlichkeiten p_{\rm L} = {\rm Pr}(d_{\rm S} = -s_0) und p_{\rm H} = {\rm Pr}(d_{\rm S} = +s_0)= 1-p_{\rm L} ausgehen.
- Die WDF f_{d{\rm N}}(d_{\rm N}) der Störkomponente sei gaußförmig und besitze die Streuung \sigma_d.
Unter der Voraussetzung, dass d_{\rm S}(\nu T) und d_{\rm N}(\nu T) statistisch unabhängig voneinander sind („signalunabhängiges Rauschen”), ergibt sich die WDF f_d(d) der Detektionsabtastwerte d(\nu T) als das Faltungsprodukt
- f_d(d) = f_{d{\rm S}}(d_{\rm S}) \star f_{d{\rm N}}(d_{\rm N})\hspace{0.05cm}.
Der Schwellenwertentscheider mit der Schwelle E = 0 trifft immer dann eine falsche Entscheidung, wenn
- das Symbol \rm L gesendet wurde (d_{\rm S} = -s_0) und d > 0 ist (rote schraffierte Fläche), oder
- das Symbol \rm H gesendet wurde (d_{\rm S} = +s_0) und d < 0 ist (blaue schraffierte Fläche).
Da die Flächen der roten und der blauen Gaußkurven zusammen 1 ergeben, gibt die Summe aus der rot und der blau schraffierten Fläche die Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B} an. Die beiden grün schraffierten Flächen in der oberen Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f_{d{\rm N}}(d_{\rm N}) sind – jede für sich – ebenfalls gleich p_{\rm B}.
Die anhand der Grafik veranschaulichten Ergebnisse sollen nun formelmäßig hergeleitet werden. Ausgegangen wird von der Gleichung
- p_{\rm B} = p_{\rm L} \cdot {\rm Pr}( v_\nu = \mathbf{H}\hspace{0.1cm}|\hspace{0.1cm} q_\nu = \mathbf{L})+ p_{\rm H} \cdot {\rm Pr}(v_\nu = \mathbf{L}\hspace{0.1cm}|\hspace{0.1cm} q_\nu = \mathbf{H})\hspace{0.05cm}.
- Hierbei sind p_{\rm L} und p_{\rm H} die Quellensymbolwahrscheinlichkeiten. Die jeweils zweiten (bedingten) Wahrscheinlichkeiten {\rm Pr}( v_\nu \hspace{0.05cm}|\hspace{0.05cm} q_\nu) beschreiben die Verfälschungen durch den AWGN–Kanal. Aus der Entscheidungsregel des Schwellenwertentscheiders (mit Schwelle E = 0) ergibt sich auch:
- p_{\rm B} = p_{\rm L} \cdot {\rm Pr}( d(\nu T)>0)+ p_{\rm H} \cdot {\rm Pr}( d(\nu T)<0) =p_{\rm L} \cdot {\rm Pr}( d_{\rm N}(\nu T)>+s_0)+ p_{\rm H} \cdot {\rm Pr}( d_{\rm N}(\nu T)<-s_0) \hspace{0.05cm}.
- Die beiden Überschreitungswahrscheinlichkeiten in obiger Gleichung sind aufgrund der Symmetrie der Gaußschen WDF f_{d{\rm N}}(d_{\rm N}) gleich. Es gilt:
- p_{\rm B} = (p_{\rm L} + p_{\rm H}) \cdot {\rm Pr}( d_{\rm N}(\nu T)>s_0) = {\rm Pr}( d_{\rm N}(\nu T)>s_0)\hspace{0.05cm}.
- Das bedeutet: p_{\rm B} hängt bei einem Binärsystem mit der Schwelle E = 0 nicht von den Symbolwahrscheinlichkeiten p_{\rm L} und p_{\rm H} = 1- p_{\rm L} ab.
- Die Wahrscheinlichkeit, dass der AWGN–Rauschterm d_{\rm N} mit Streuung \sigma_d größer ist als die NRZ–Sendeimpulsamplitude s_0, ergibt sich damit zu:
- p_{\rm B} = \int_{s_0}^{+\infty}f_{d{\rm N}}(d_{\rm N})\,{\rm d} d_{\rm N} = \frac{\rm 1}{\sqrt{2\pi} \cdot \sigma_d}\int_{ s_0}^{+\infty}{\rm e} ^{-d_{\rm N}^2/(2\sigma_d^2) }\,{\rm d} d_{\rm N}\hspace{0.05cm}.
- Unter Verwendung des komplementären Gaußschen Fehlerintegrals {\rm Q}(x) lautet das Ergebnis:
- p_{\rm B} = {\rm Q} \left( \frac{s_0}{\sigma_d}\right)\hspace{0.4cm}{\rm mit}\hspace{0.4cm}\rm Q (\it x) = \frac{\rm 1}{\sqrt{\rm 2\pi}}\int_{\it x}^{+\infty}\rm e^{\it -u^{\rm 2}/\rm 2}\,d \it u \hspace{0.05cm}.
- Häufig – insbesondere in der englischsprachigen Literatur – wird anstelle von {\rm Q}(x) die vergleichbare komplementäre Error Function {\rm erfc}(x) verwendet. Mit dieser gilt:
- p_{\rm B} = {1}/{2} \cdot {\rm erfc} \left( \frac{s_0}{\sqrt{2}\cdot \sigma_d}\right)\hspace{0.4cm}{\rm mit}\hspace{0.4cm} {\rm erfc} (\it x) = \frac{\rm 2}{\sqrt{\rm \pi}}\int_{\it x}^{+\infty}\rm e^{\it -u^{\rm 2}}\,d \it u \hspace{0.05cm}.
Beide Funktionen findet man in Formelsammlungen in tabellarischer Form. Sie können zur Berechnung der Funktionswerte von {\rm Q}(x) und 1/2 \cdot {\rm erfc}(x) aber auch unser interaktives Applet Komplementäre Gaußsche Fehlerfunktionen benutzen.
\text{Beispiel 2:} Für das Folgende wird vorausgesetzt, dass Tabellen zur Verfügung stehen, in denen das Argument der Gaußschen Fehlerfunktionen im Abstand 0.1 aufgelistet sind. Mit s_0/\sigma_d = 4 erhält man für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit gemäß der Q–Funktion:
- p_{\rm B} = {\rm Q} (4) = 0.317 \cdot 10^{-4}\hspace{0.05cm}.
Nach der zweiten Gleichung ergibt sich:
- p_{\rm B} = {1}/{2} \cdot {\rm erfc} ( {4}/{\sqrt{2} })= {1}/{2} \cdot {\rm erfc} ( 2.828)\approx {1}/{2} \cdot {\rm erfc} ( 2.8)= 0.375 \cdot 10^{-4}\hspace{0.05cm}.
- Richtig ist der erste Wert. Bei der zweiten Berechnungsart muss man runden oder – noch besser – interpolieren, was aufgrund der starken Nichtlinearität dieser Funktion sehr schwierig ist.
- Bei den gegebenen Zahlenwerten ist demnach die Q–Funktion besser geeignet. Außerhalb von Übungsbeispielen wird s_0/\sigma_d in der Regel einen „krummen” Wert besitzen. In diesem Fall bietet die Q–Funktion natürlich keinen Vorteil gegenüber {\rm erfc}(x).
Optimaler Binärempfänger - Realisierung mit Matched-Filter
Wir gehen weiter von den vorne festgelegten Voraussetzungen aus.
- Dann kann man für den Frequenzgang und die Impulsantwort des Empfängerfilters ansetzen:
- H_{\rm E}(f) = {\rm si}(\pi f T) \hspace{0.4cm}\bullet\!\!-\!\!\!-\!\!\!-\!\!\circ \hspace{0.4cm} h_{\rm E}(t) = \left\{ \begin{array}{c} 1/T \\ 1/(2T) \\ 0 \\ \end{array} \right.\quad \begin{array}{*{1}c} {\rm{f\ddot{u}r}} \\ {\rm{f\ddot{u}r}} \\ {\rm{f\ddot{u}r}} \\ \end{array}\begin{array}{*{20}c} |\hspace{0.05cm}t\hspace{0.05cm}|< T/2 \hspace{0.05cm},\\ |\hspace{0.05cm}t\hspace{0.05cm}|= T/2 \hspace{0.05cm},\\ |\hspace{0.05cm}t\hspace{0.05cm}|>T/2 \hspace{0.05cm}. \\ \end{array}
- Aufgrund der Linearität kann für das Detektionsnutzsignal geschrieben werden:
- d_{\rm S}(t) = \sum_{(\nu)} a_\nu \cdot g_d ( t - \nu \cdot T)\hspace{0.4cm}{\rm mit}\hspace{0.4cm}g_d(t) = g_s(t) \star h_{\rm E}(t) \hspace{0.05cm}.
- Die Faltung zweier Rechtecke gleicher Breite T und Höhe s_0 ergibt einen dreieckförmigen Detektionsgrundimpuls g_d(t) mit g_d(t = 0) = s_0. Wegen g_d(|t| \ge 0) \equiv 0 ist das System impulsinterferenzfrei; es gilt d_{\rm S}(\nu T)= \pm s_0.
- Die Varianz des Detektionsstörsignals d_{\rm N}(t) – also die Detektionsstörleistung – lautet:
- \sigma _d ^2 = \frac{N_0 }{2} \cdot \int_{ - \infty }^{ + \infty } {\left| {H_{\rm E}( f )} \right|^2 \hspace{0.1cm}{\rm{d}}f} = \frac{N_0 }{2} \cdot \int_{- \infty }^{+ \infty } {\rm si}^2(\pi f T)\hspace{0.1cm}{\rm{d}}f = \frac{N_0 }{2T} \hspace{0.05cm}.
- Damit ergeben sich für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit entsprechend der letzten Seite die beiden äquivalenten Gleichungen:
- p_{\rm B} = {\rm Q} \left( \sqrt{\frac{2 \cdot s_0^2 \cdot T}{N_0}}\right)= {\rm Q} \left( \sqrt{\rho_d}\right)\hspace{0.05cm},\hspace{0.5cm} p_{\rm B} = {1}/{2} \cdot {\rm erfc} \left( \sqrt{{ s_0^2 \cdot T}/{N_0}}\right)= {1}/{2}\cdot {\rm erfc}\left( \sqrt{{\rho_d}/{2}}\right) \hspace{0.05cm}.
\text{Definition:} Verwendet ist das momentane Signal–zu–Stör–Leistungsverhältnis (SNR) \rho_d des Detektionssignals d(t) zu den Zeiten \nu T, kurz Detektions–SNR:
- \rho_d = \frac{d_{\rm S}^2(\nu T)}{ {\rm E}\big[d_{\rm N}^2(\nu T)\big ]}= \frac{s_0^2}{\sigma _d ^2} \hspace{0.05cm}.
Ein Vergleich dieses Ergebnisses mit der Seite Optimierungskriterium des Matched-Filters im Buch „Stochastische Signaltheorie” zeigt, dass das Empfangsfilter
H_{\rm E}(f) ein an den Sendegrundimpuls g_s(t) angepasstes Matched–Filter ist:
- H_{\rm E}(f) = H_{\rm MF}(f) = K_{\rm MF}\cdot G_s^*(f)\hspace{0.05cm}.
Gegenüber der Seite Matched–Filter–Optimierung sind hier folgende Modifikationen berücksichtigt:
- Die Matched–Filter–Konstante ist hier zu K_{\rm MF} = 1/(s_0 \cdot T) gesetzt. Damit ist der Frequenzgang H_{\rm MF}(f) dimensionslos.
- Der im allgemeinen frei wählbare Detektionszeitpunkt ist hier zu T_{\rm D} = 0 gewählt. Damit ergibt sich allerdings ein akausales Filter.
- Das Detektions–SNR kann für jeden beliebigen Sendegrundimpuls g_s(t) mit Spektrum G_s(f) wie folgt dargestellt werden, wobei sich die rechte Identität aus dem Parsevalschen Theorem ergibt:
- \rho_d = \frac{2 \cdot E_{\rm B}}{N_0}\hspace{0.4cm}{\rm mit}\hspace{0.4cm} E_{\rm B} = \int^{+\infty} _{-\infty} g_s^2(t)\,{\rm d}t = \int^{+\infty} _{-\infty} |G_s(f)|^2\,{\rm d}f\hspace{0.05cm}.
- E_{\rm B} wird oft als Energie pro Bit bezeichnet und E_{\rm B}/N_0 – fälschlicherweise – als \rm SNR. Wie aus der letzten Gleichung ersichtlich ist, unterscheidet sich nämlich bei binärer Basisbandübertragung E_{\rm B}/N_0 vom Detektions–SNR \rho_d um den Faktor 2.
\text{Fazit:} Die hier hergeleitete Bitfehlerwahrscheinlichkeit des optimalen Binärempfängers kann somit auch wie folgt geschrieben werden:
- p_{\rm B} = {\rm Q} \left( \sqrt{ {2 \cdot E_{\rm B} }/{N_0} }\right)= {1}/{2} \cdot{\rm erfc} \left( \sqrt{ {E_{\rm B} }/{N_0} }\right) \hspace{0.05cm}.
Diese Gleichung gilt sowohl für die Realisierung mit Matched-Filter als auch für die Realisierungsform „Integrate & Dump” (siehe nächste Seite).
Zur Verdeutlichung der hier behandelten Thematik weisen wir auf unser Interaktionsmodul Zur Verdeutlichung des Matched-Filters hin.
Optimaler Binärempfänger – Realisierungsform „Integrate & Dump”
Bei rechteckförmigen NRZ–Sendeimpulsen kann das Matched–Filter auch als Integrator (jeweils über eine Symboldauer T) realisiert werden. Damit gilt für das Detektionssignal zu den Detektionszeitpunkten:
- d(\nu \cdot T + T/2) = \frac {1}{T} \cdot \int^{\nu \cdot T + T/2} _{\nu \cdot T - T/2} r(t)\,{\rm d}t \hspace{0.05cm}.
Die Grafik verdeutlicht die Unterschiede bei der Realisierung des optimalen Binärempfängers
- mit Matched–Filter \rm (MF) ⇒ mittlere Skizze, bzw.
- als „Integrate & Dump” \rm (I\&D) ⇒ untere Skizze.
Man erkennt aus diesen Signalverläufen:
- Das Detektionsnutzsignal d_{\rm S}(t) ist zu den Detektionszeitpunkten ⇒ gelbe Markierungen \rm (MF: bei \nu \cdot T, \rm I\&D: bei \nu \cdot T +T/2 in beiden Fällen gleich \pm s_0.
- Die unterschiedlichen Detektionszeitpunkte sind darauf zurückzuführen, dass das Matched–Filter im Gegensatz zu „Integrate & Dump” als akausal angesetzt wurde (siehe letzte Seite).
- Beim Matched–Filter–Empfänger ist die Varianz des Detektionsstörsignals zu allen Zeiten t gleich: {\rm E}\big[d_{\rm N}^2(t)\big]= {\sigma _d ^2} = {\rm const.} Dagegen nimmt beim I&D–Empfänger die Varianz von Symbolanfang bis Symbolende zu.
- Zu den gelb markierten Zeitpunkten ist die Detektionsstörleistung in beiden Fällen gleich, so dass sich die gleiche Bitfehlerwahrscheinlichkeit ergibt. Mit E_{\rm B} = s_0^2 \cdot T gilt wieder:
- \sigma _d ^2 = \frac{N_0}{2} \cdot \int_{- \infty }^{ +\infty } {\rm si}^2(\pi f T)\hspace{0.1cm}{\rm{d}}f = \frac{N_0}{2T}
- \Rightarrow \hspace{0.3cm} p_{\rm B} = {\rm Q} \left( \sqrt{ s_0^2 / \sigma _d ^2} \right)= {\rm Q} \left( \sqrt{{2 \cdot E_{\rm B}}/{N_0}}\right) .
Interpretation des optimalen Empfängers
In diesem Abschnitt wurde gezeigt, dass mit einem Empfänger, bestehend aus linearem Empfangsfilter und nichtlinearem Entscheider, die kleinstmögliche Bitfehlerwahrscheinlichkeit zu erreichen ist:
- p_{\rm B, \hspace{0.05cm}min} = {\rm Q} \left( \sqrt{{2 \cdot E_{\rm B}}/{N_0}}\right) = {1}/{2} \cdot {\rm erfc} \left( \sqrt{{ E_{\rm B}}/{N_0}}\right) \hspace{0.05cm}.
Die sich ergebende Konfiguration ist ein Sonderfall des so genannten Maximum–Aposteriori–Empfängers (MAP), der im Abschnitt Optimale Empfängerstrategien im dritten Hauptkapitel dieses Buches behandelt wird.
Für die Gültigkeit obiger Gleichung müssen allerdings eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Sendesignal s(t) ist binär sowie bipolar (antipodisch) und weist pro Bit die (mittlere) Energie E_{\rm B} auf. Die (mittlere) Sendeleistung ist somit E_{\rm B}/T.
- Es liegt ein AWGN–Kanal (Additive White Gaussian Noise ) mit der konstanten (einseitigen) Rauschleistungsdichte N_0 vor.
- Das Empfangsfilter H_{\rm E}(f) ist bestmöglich an das Sendegrundimpulsspektrum G_s(f) entsprechend dem „Matched–Filter–Kriterium” angepasst.
- Der Entscheider (Schwellenwert, Detektionszeitpunkte) ist optimal. Eine kausale Realisierung des Matched–Filters kann man durch Verschiebung des Detektionszeitpunktes ausgleichen.
- Obige Gleichung gilt unabhängig vom Sendegrundimpuls g_s(t). Allein die für die Übertragung eines Binärsymbols aufgewendete Energie E_{\rm B} ist neben der Rauschleistungsdichte N_0 entscheidend für die Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B}.
- Voraussetzung für die Anwendbarkeit obiger Gleichung ist, dass die Detektion eines Symbols nicht durch andere Symbole beeinträchtigt wird. Solche Impulsinterferenzen vergrößern die Bitfehlerwahrscheinlichkeit p_{\rm B} enorm.
- Ist die absolute Sendeimpulsdauer T_{\rm S} kleiner oder gleich dem Symbolabstand T, so ist obige Gleichung bei Erfüllung des Matched-Filter-Kriteriums immer anwendbar.
- Die Gleichung gilt auch für Nyquistsysteme, bei denen zwar T_{\rm S} > T gilt, es aber aufgrund von äquidistanten Nulldurchgängen des Grundimpulses g_d(t) nicht zu Impulsinterferenzen kommt. Damit beschäftigen wir uns im nächsten Kapitel.
Aufgaben zum Kapitel
Aufgabe 1.2: Bitfehlerquote (BER)
Aufgabe 1.2Z: Bitfehlermessung
Aufgabe 1.3: Rechteckfunktionen für Sender und Empfänger
Aufgabe 1.3Z: Schwellenwertoptimierung
Quellenverzeichnis